Independent Living Movement

„Independent Living Movement“ kann in das Deutsche übersetzt werden als „Soziale Bewegung für ein unabhängiges Leben von Menschen mit Behinderungen“. Ziel dieser Bewegung ist es, ein selbstbestimmtes und weitgehend autonomes Leben von Menschen mit Behinderung innerhalb der Gesellschaft zu ermöglichen.

Dieses Konzept der Unterstützung wurde in den 1960er Jahren in den USA entwickelt und basiert auf der Möglichkeit der Selbsthilfe. So sollen sämtliche Angebote und Aufgaben wie beispielsweise Rechtsberatung, Beratung der Freizeitgestaltung, soziale Kontakte, Arbeitsvermittlung, Beratung von Familien mit einem Kind etc. von Menschen mit Behinderung durchgeführt werden. Zwar stehen all diese Angebote allen Menschen mit Behinderung zur Verfügung, jedoch sind Personen mit sogenannter geistiger Behinderung nicht häufig vertreten. Der Grund hierfür könnte sein, dass die meisten Angebote eher intellektuell orientiert und auf Selbstentscheidung und Selbstverantwortung ausgerichtet sind.

Eine zentrale Bedeutung des „Independent Living Movement“ spielen die „Center for Independent Living“, die autonom von Menschen mit Behinderungen geleitet werden und in denen sämtliche der dargestellten Tätigkeiten wie Beratung, Schulung, Vermittlung etc. stattfinden. Diese Zentren wurden 1979 in den USA durch ein Bundesgesetz anerkannt und werden seitdem durch den Staat subventioniert.

Bei den durchgeführten Beratungen ist es angedacht, dass die beratende Person eine möglichst vergleichbare Beeinträchtigung wie die ratsuchende Person haben sollte. Die Organisation der einzelnen Zentren basiert daher auf folgendem Grundsatz: „Jene, die Bedürfnisse am besten kennen und am besten wissen, wie man mit ihnen umzugehen hat, sind Betroffene selbst. Den Bedürfnissen kann somit am effektivsten durch umfassende Programme begegnen, und Betroffene sollten soweit wie möglich in ihre Gemeinden integriert werden“.

Die Beratungen etc. basieren auf der nach Rogers entwickelten klient*innenzentrierten Gesprächsführung und orientieren sich an einem lösungsorientierten Ansatz. Menschen mit Behinderung wird dabei sowohl das Recht zugesprochen, selbst Entscheidungen für ihr Leben zu treffen und zudem darauf vertraut, dass sie selbstständig zu Lösungswegen gelangen, welche die derzeitige Lebenssituation positiv verändert.

In Deutschland gab es parallel zur Entwicklung der amerikanischen „Independent Living Movement“ eine ähnliche Bewegung. Diese reicht zurück bis in die späten 60er Jahre, als in kritischer Distanz zur Behindertenarbeit der traditionellen Wohlfahrtsverbände und einiger Elternselbsthilfevereinigungen, der Club 68 als „Vorläufer der Clubs der Behinderten und ihrer Freunde“ entstand. Trotz dieser und verschiedener anderen Bewegungen, Interessenvertretungen oder  Betroffenen-Initiativen wie beispielsweise dem „Peer Counseling“ oder dem „Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter“ etc. ist dieser Prozess hierzulande nicht abgeschlossen, da von einem flächendeckenden Netz solcher Angebote noch nicht die Rede sein kann. So gibt es zwar in den Regionen Bremen und Hamburg bewährte Zusammenschlüsse von Menschen mit Behinderung, den sie als Arbeitgebende selbstbestimmen und kontrollieren möchten, doch die Einführung der Pflegeversicherung und der damit einhergehenden Erschwernisse (Spielregeln der Pflegekassen, Qualitätsstandards etc.) verhinderten oftmals eine nationale Verbreitung dieser Selbstvertreter*innenbewegung.

Stand 2013


Literatur

  • Driedger, Diane (1989): The last civil rights movement: Disabled peoples’ international. London: C. Hurst & Co. (Publishers) Ltd.
  • Theunissen, Georg (2001): Die Independent Living Bewegung. Empowerment-Bewegungen machen mobil (I).
    Online unter bidok.uibk.ac.at/…, Stand: 28.10.2013