Transsexualität

Transsexuelle Menschen sind Personen, die z.B. einen männlichen Körper haben, aber sich eigentlich als Frau fühlen und als Frau leben wollen und sich manchmal deshalb auch einen weiblichen Körper wünschen. Oder sie haben einen weiblichen Körper, fühlen sich aber als Mann und wollen in einem männlichen Körper leben. Der Übergang von einem geschlechtlichen Körper zum anderen (z.B. vom weiblichen zu einem männlichen Körper) nennt man Transition. Das kann man z.B. mit der Einnahme von Hormonen erreichen und mit Operationen (z.B. um weibliche Geschlechtsteile zu bekommen). Eine Transition wird von der Krankenkasse übernommen, aber es ist sehr schwierig, die Erlaubnis dafür zu bekommen, denn dafür braucht man medizinische Gutachten. Transsexualität ist ein medizinischer Begriff und viele trans* Personen verwenden ihn daher heute nicht mehr als Selbstbezeichnung.

Transsexuelle Menschen sind eine Untergruppe unter dem breiten Dachbegriff von trans*. Der Begriff „Transsexualismus“ war dabei zunächst eine Definition aus der Sexualwissenschaft. Aufgrund der Geschichte des Begriffs „Transsexualismus“ als Diagnose und als Klassifizierung im ICD-10 als „Störung“ lehnen viele trans* Personen den Begriff als Selbstbezeichnung ab. Teilweise wird er jedoch weiterhin verwendet, weil er begrifflich zwischen trans* Personen mit oder ohne Wunsch nach hormonellen und chirurgischen Veränderungen des Körpers unterscheiden kann.

Transsexualität besteht aus den Wörtern trans und sex. Der Begriff sex steht dabei für biologisches Geschlecht. Es geht also beim Thema Transsexualität nicht – wie man dies um aktuellen deutschen Alltagssprachgebrauch vermuten würde – um eine sexuelle Orientierung, sondern um eine Geschlechtsidentität, die Geschlechtergrenzen auf der Ebene des Körpers (englisch: sex, lateinische Fachsprache: sexus) überschreitet (trans-). Transsexualität im engeren Sinne bezieht sich daher auf Menschen, die den Wunsch hegen, ihren Körper dem gefühlten Geschlecht anzugleichen. Z.B. wird eine Person bei der Geburt als männlich klassifiziert, entwickelt aber eine Identität als Mädchen/Frau und damit einhergehend das Bedürfnis, den eigenen Körper teilweise oder so weit wie möglich einem weiblichen Erscheinungsbild anzugleichen, und zwar auch mit medizinischen Mitteln (Einnahme weiblicher Hormone, Aufbau einer Brust, Anlegen einer Vulva und Vagina, ggf. auch Epilation der Barthaare o.ä.).

Im klinischen Setting wird heute auch von einer Geschlechtsdysphorie oder neutraler von einer Inkongruenz zwischen Körper und Identität gesprochen, also von einem Unwohlsein mit dem eigenen Geschlechtskörper, das mit Leidensdruck und Ablehnung der Geschlechtsmerkmale einhergeht. Nicht alle trans* Personen leiden unter Dysphorie oder wollen ihren Körper verändern. Nicht alle transsexuellen Personen entscheiden sich trotz bestehender Geschlechtsdysphorie für medizinische Eingriffe, da diese (insbesondere genitale Operationen) auch mit gewissen Risiken verbunden sind. Wenn transsexuelle Personen jedoch geschlechtsangleichende Maßnahmen durchführen lassen, stellt dies eine effektive Behandlung der Geschlechtsdysphorie dar, was mittlerweile durch Studien gut dokumentiert ist. Umgekehrt haben sich Versuche, die Transsexualität „weg zu therapieren“ als nicht effektiv erwiesen. Dies ist der Grund, warum geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen in der Fachwelt als angemessene Behandlung weitgehend akzeptiert werden.

Für Menschen mit Lernschwierigkeiten, kognitiven oder seelischen Beeinträchtigungen bestehen extrem hohe Hürden, positive Gutachten für medizinische Transitionen (Angleichungen des Körpers an die Identität) zu erhalten, wenn sie dies wünschen. Geforscht wird hierzu bisher leider nicht. Aber da Menschen mit kognitiven/seelischen Einschränkungen oft pauschal Entscheidungskompetenzen abgesprochen werden und der Prozess der Begutachtung schon für Menschen mit guten Ressourcen eine hohe Belastung und Hürde darstellt, ist zu befürchten, dass wir noch weit von einer barrierefreien Gesundheitsversorgung für trans* Menschen mit diversen Behinderungen entfernt sind.


Literatur

  • Hamm, Jonas A./Sauer, Arn Thorben (2014): Perspektivenwechsel: Vorschläge für eine menschenrechts- und bedürfnisorientierte Trans*-Gesundheitsversorgung. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 27. Jg., S. 4-30.
  • Nieder, Timo O./Strauß, Bernhard (2019): S3-Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung im Kontext von Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit. Hintergrund, Methode und zentrale Empfehlungen. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 32. Jg., H. 2, S. 70-79.
  • Radix, Anita/Eisfeld, Justus (2014): Informierte Zustimmung in der Trans* Gesundheitsversorgung. Erfahrungen eines US-amerikanischen Community Health Center. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 27. Jg., S. 31-43.
  • Schirmer, Utan (2012): Möglichkeiten, vergeschlechtskörpert in der Welt zu sein: Neuverhandlungen geschlechtlicher Subjektivierungsweisen im Kontext des medizinisch-rechtlichen Regimes der Transsexualität. In: Sänger, Eva/Rödel, Malaika (Hrsg.): Biopolitik und Geschlecht. Zur Regulierung des Lebendigen. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 244-265.
  • Turner, Daniel/Briken, Peer/Nieder, Timo O. (2020): Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit. In: PSYCH up2date, 14. Jg., H. 4, S. 347 363. DOI: 10.1055/a-0973-2535.