Drag

Drag bezeichnet das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts, also Frauen tragen Männerkleidung und Männer tragen Frauenkleidung. Mit Drag versucht man auch das andere Geschlecht zu imitieren oder Geschlechterbilder mit Humor zu kritisieren. Drag findet oft auf Bühnen statt. Manchmal spricht man dann von Travestie. Einen Mann, der eine Frau darstellt, nennt man Drag Queen. Eine Frau, die einen Mann darstellt, nennt man Drag King. Statt Drag sagen manche auch Crossdressing. Crossdressing ist nur das Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts, das nicht auf der Bühne stattfindet.

Der Begriff Drag wird auf das 19. Jahrhundert zurückgeführt und bezeichnete eine im Theater für lange Zeit übliche Praxis, Frauenrollen von Männern in Frauenkleidung spielen zu lassen. Damit verbunden ist der Begriff des Crossdressing. Dies ist ein allgemeiner Begriff für die Praxis des Tragens der (stereotypen) Kleidung des Gegengeschlechts innerhalb einer zweigeschlechtlichen Norm, kann also auch im Alltag stattfinden. Drag ist hingegen insbesondere mit Crossdressing oder der Imitation des anderen Geschlechts auf der Bühne als eine Form der Unterhaltung verbunden. Im deutschsprachigen Kontext werden entsprechende Shows auch als Travestie bezeichnet.

Neben der historischen Bedeutung im Theater ist die moderne Form des Drag vor allem mit schwulen, lesbischen und queeren Subkulturen verbunden. Eine Drag Queen ist in diesem Kontext ein in der Regel schwuler (oder bisexueller/queerer) Cismann, der zu Unterhaltungszwecken im Rahmen einer Performance eine Frau darstellt. Im deutschen Kontext war früher auch der Begriff „Damenimitator“ gebräuchlich und teilweise wird auch der Begriff „Tunte“ als Selbstbezeichnung verwendet. Die Tunte muss allerdings nicht unbedingt auf der Bühne stehen, sondern ist auch eine politische und Alltagsidentität.

Drag Auftritte sind ein elementarer Bestandteil diverser schwul/lesbischer bzw. queerer Communities, insbesondere auch von queeren Communities of Color in den USA, in der sogenannten Ballroom-Kultur, die u.a. im Dokumentarfilm „Paris is burning“ festgehalten wurde. Die Grenzen zwischen der Drag Queen als reiner Bühnenpersönlichkeit eines schwulen Cismannes, der Drag Queen als Teil der eigenen Alltagsidentität und Transfrauen, die ihre Wurzeln im Drag haben, sind dabei fließend. Auch hat sich die Drag Community immer weiter ausdifferenziert. Die bekannteste Drag Queen der Welt dürfte wohl RuPaul sein, der*die seit 2009 eine eigene Reality TV-Show „RuPaul’s Drag Race“ hostet, in der Drag Queens gegeneinander um einen Titel antreten. Die bekannteste Drag Queen oder Travestie-Künstler*in Deutschland ist derzeit wohl Olivia Jones. Es gibt ebenfalls Drag Kings, also Cisfrauen, die auf der Bühne als Männer auftreten. Analog zu Drag Queens hat das Drag Kinging seine Wurzeln in lesbischen und queeren Szenen. Auch Drag Kings identifizieren sich teilweise als nicht-binär oder als Transmänner.

Drag wird auch als politische Praxis verstanden, u.a. da Drag aufzeigen kann, dass Geschlecht nicht „natürlich“ ist, sondern durch Hilfsmittel wie Kleidung, Makeup usw. inszeniert wird. Insgesamt bietet Drag die Möglichkeit, Geschlechternormen und -darstellungen spielerisch zu erkunden. So sind neben der reinen Bühnenperformance auch Drag Workshops als Praxis der Selbsterfahrung entstanden.

Menschen mit Behinderungen sind bisher in der Welt des Drag kaum sichtbar. 2019 wurde die vermutlich weltweit erste Drag-Gruppe von Menschen mit Down-Syndrom gegründet: Drag Syndrome. Drag Syndrome zeigt, dass die Drag Kultur auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen Räume zum Ausleben ihrer Kreativität bieten kann.


Literatur

  • Balzer, Carsten (2007): Gelebte Heteronormativitätskritik: Tunten in Berlin zwischen schwulen-politischem und transgenderpolitischem Selbstverständnis. In: Liminalis 1, S. 44-58.
  • Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
  • Berkowitz, Dana/Siebenkittel, Ray (2016): Drag. In: Goldberg, Abbie (Hrsg.): The SAGE Encyclopedia of LGBTQ Studies. Thousand Oaks: SAGE, S. 341-342.
  • Drag Syndrome (o.J.): Freshly fierced! Drag collective featuring highly addictive queens & kings with down syndrome.
    Online unter www.dragsyndrome.com/…, Stand: 30.11.2021
  • Hamm, Patrick (Hrsg.) (2007): Die Diva ist ein Mann. Das große Tuntenbuch. Berlin: Querverlag.
  • Hark, Sabine (1998): Parodistischer Ernst und politisches Spiel. Zur Politik der GeschlechterParodie. In: Hornscheidt, Antje u.a. (Hrsg.): Kritische Differenzen – Geteilte Perspektiven. Zum Verhältnis von Feminismus und Postmoderne. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 115-139.
  • Kubicek, Katrina (2016: The Ballroom Scene. In: Goldberg, Abbie (Hrsg.): The SAGE Encyclopedia of LGBTQ Studies. Thousand Oaks: SAGE, S. 103–105.
  • Schacht, Steven P./Underwood, Lisa (Hrsg.) (2004): The Drag Queen Anthology. The Absolutely Fabulous but Flawlessly Customary World of Female Impersonators. Binghamton: Harrington Park Press.
  • Schirmer, Uta(n) (2010): Geschlecht anders gestalten. Drag Kinging, geschlechtliche Selbstverhältnisse und Wirklichkeiten. Bielefeld: transcript.
  • Thilmann, Pia u.a. (Hrsg.) (2007): Drag Kings. Mit Bartkleber gegen das Patriarchat. Berlin: Querverlag.